Darf es ein bisschen mehr sein?
Über die angemessene Gestik beim Präsentieren gibt es viele unterschiedliche und zum Teil kontroverse Meinungen. Was dem einen leblos erscheint, mag der andere als angenehm ruhig empfinden. Und genauso kann eine ausladende Gestik für den einen Temperament und Lebhaftigkeit ausdrücken. Ein anderer sieht darin nur Gefuchtel.
Klar ist: Es gibt neben den individuellen Unterschieden eine immense Vielfalt – abhängig von der Kultur, dem Kontext, dem Geschlecht, dem Alter und auch der Zielgruppe.
Was ist also eine angemessene Gestik und: Darf es ein bisschen mehr sein?
Ein paar Grundregeln zur Gestik gibt es schon. Die meisten Menschen unseres westeuropäischen Kulturkreises empfinden es als angenehm, wenn ein Vortragender seine Arme nicht einfach nach unten hängen lässt oder die Hände in die Taschen steckt. Es sieht lebendiger aus, wenn die Arme leicht in den Ellenbogen gebeugt sind, so dass sich die Hände in der sogenannten Zügelhaltung befinden. Von da aus kann man wunderbar die Gestik entfalten.
Und dieses Sich-Entfalten muss meiner Meinung nach vor allem ein Kriterium erfüllen: Es muss authentisch sein und zum Sprecher passen. Es nützt nichts, ein paar Gesten einzuüben, weil man sie bei einem anderen Vortragenden bewundert hat. Wenn sie nicht zu mir passen – also zu meinen normalen Bewegungsabläufen – dann wirken sie aufgesetzt und unecht.
Es geht also wieder einmal um Glaubwürdigkeit. Deshalb gibt es auch kein Patentrezept, wohl aber einige Anhaltspunkte. Bei kleinen Gesten im Radius von 50 Zentimetern zur Körpermitte können ruhig beide Hände eingesetzt werden. Als angenehm werden eher fließende Bewegungen wahrgenommen. Das Öffnen der Handflächen wirkt sympathisch. Die meisten Menschen fühlen sich unwohl, wenn jemand den Zeigefinger auf sie richtet. Daher sollte immer die ganze Hand eingesetzt werden.
Ich finde es persönlich auch schön, auch mal größere Gesten zu wagen. Dann allerdings nur mit einer Hand und nicht mit beiden gleichzeitig. Die Hände sollten nicht zu Fäusten geballt sein – die Finger nicht abgespreizt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als bei einem meiner früheren Arbeitgeber der neue Personalleiter während einer Tagung der Führungskräfte auf einer Bühne stand, und mit den Worten „Sie sind meine Kunden“ beide Arme ausbreitete. Er war ein sehr kleiner, zierlicher Mann und sah in dem Moment aus wie ein Gekreuzigter. Ein typischer Fall für mangelnde Authentizität.
Setzen Sie sich also mit Ihrer eigenen Gestik auseinander, nehmen Sie sich mal auf Video auf und schauen Sie, welche Bewegungen der Arme und Hände bei Ihnen häufig vorkommen und wie Sie selber auf diese reagieren. Gewinnen Sie ein Bewusstsein für ihre spontanen, ungezwungenen Gesten. Und arbeiten sie mit diesen – nicht gegen sie.
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